Warum Bewegungsfugen in Estrichen?
Der Einbau von Bewegungsfugen in Estrichen kann notwendig werden, um die zwei wesentlichen Aufgaben zu erfüllen:
Während die Unterbrechung der Schalllängsleitung eine rein konstruktiv erforderliche Maßnahme ist, die unabhängig vom eingesetzten Estrichmaterial ist, wird das Thema der Rissbildung zu einem großen Teil auch vom Material beeinflusst.
Grundsätzlich sind Bewegungsfugen so auszubilden, dass der Estrich über den ganzen Querschnitt getrennt ist, da sonst die Bewegungen für den Estrich nicht spannungsfrei bleiben.
Fließestriche fugenlos ausführbar
Fließestriche zeichnen sich durch nahezu raumstabiles Verhalten während der Abbinde- und Trocknungsphase aus. Sie haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihres besonders geringen Schwindens weniger Spannungen aufbauen als andere Estricharten. Bei fach- und normgerechter Ausführung können Fließestriche durch ihre hohen Festigkeiten diese Spannungen unbeschadet, ohne Auftreten von Rissbildungen, aufnehmen. Darüber hinaus bilden sie die hohen Festigkeiten schnell auf, was in den kritischen ersten Tagen besonders vorteilhaft ist. Eine großflächige Verlegung ohne Bewegungsfugen ist deshalb mit Fließestrichen möglich. Dies wird oft ausgeführt und vom Bauherrn verlangt z.B. in Bürohäusern oder bei der Ausführung von Hohlböden.
Ein Heizestrich bewegt sich
Dennoch ist die Anordnung von Bewegungsfugen in Fließestrichen je nach Beanspruchung sinnvoll. Begrenzt wird die fugenlose Verlegung von Fließestrichen in der Baupraxis durch Verformungen aus Temperaturänderungen und Trocknungsschwinden, die in der Estrichplatte Spannungen erzeugen.
Bewegungsfugen sind insbesondere bei beheizten Estrichkonstruktionen sinnvoll, da durch das Beheizen Temperaturänderungen und damit Längenänderungen des Estrichs auftreten. Der Estrich bewegt sich. Werden Räume, z.B. Schlaf- und Wohnraum, oder Teilflächen eines Raumes unterschiedliche beheizt, treten durch die unterschiedliche Bewegung Spannungen auf, die gegebenenfalls Risse verursachen, wenn keine Bewegungsfugen vorhanden sind.
Wo sollten Bewegungsfugen bei beheizten Fließestrichen angeordnet werden?
Auch bei beheizten Fließestrichen können relativ große Flächen fugenlos ausgeführt werden. Dort, wo der Grundriss Einschnürungen zeigt, also z.B. an Türdurchgängen und an vorspringenden Wänden, entstehen aber größere Spannungen. Hier empfiehlt es sich Bewegungsfugen einzubauen. Auch wenn ein Raum einen L- oder U-förmigen Grundriss aufweist, können je nach Raumabmessungen Bewegungsfugen sinnvoll werden. Hier gibt das Merkblatt Nr. 5 von VDPM/IGE ein „Vereinfachtes Verfahren“ zur Fugenplanung an, das für Estriche im Wohnungsbau bei Grundrisslängen bis ca. 12 m gilt und auch auf der Baustelle anwendbar ist.
Ebenso sollten beheizte Zonen von unbeheizten Zonen getrennt werden. Ausgenommen sind hier bis 1 m breite unbeheizte Randzonen wie z. B. für vorgesehene Küchenzeilen oder Einbauschränke.
Prinzip des Flächenschwerpunktes
Das Verfahren basiert auf dem Prinzip des Flächenschwerpunktes, das es erlaubt, auch größere Flächen zu bewerten. Beim Trocknungsschwinden und Abkühlen des Estrichs bewegen sich dessen Ränder auf den Schwerpunkt der Fläche zu. Steht dieser Bewegung etwas im Wege, z.B. eine vorspringende Wand, welche die Bewegung aufhält, entstehen Spannungen im Estrich und möglicherweise auch ein Riss. Um die Notwendigkeit einer Bewegungsfuge zu erkennen, muss bei dieser Betrachtung die Lage des Flächenschwerpunktes bekannt sein. Das Prinzip zur Bestimmung des Flächenschwerpunktes ist in dem Blatt von VDPM/IGE „Fugenplanung für Calciumsulfat-Fließestriche nach dem Prinzip des Flächenschwerpunktes“ dargestellt und es werden auch Angaben gemacht, ab welchen Längen Bewegungsfugen empfohlen werden.
Bei etwas Übung reicht es aber oft schon aus, wenn im Grundrissplan die Lage des Flächenschwerpunktes abgeschätzt wird und betrachtet wird, wie sich die Ränder oder Ecken des Estrichs in Richtung Flächenschwerpunkt bewegen. Dies wird ersichtlich, wenn man die Estrichecken mit einem geraden Strich zum Flächenschwerpunkt verbindet. Schneidet der Strich dabei Wände, besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass hier Spannungen im Estrich entstehen. Da der Estrich von einem Randdämmstreifen umgeben ist, der gewisse Bewegungen des Estrichs zulässt, werden in dem Blatt Estrichlängen zugelassen, obwohl nach der Schwerpunktbetrachtung eine Behinderung zu erkennen ist.
Beispiel: Bei einem L-förmigen Grundriss liegt der Flächenschwerpunkt in einem Schenkel. Damit bewegt sich eine Ecke beim Schwinden des Estrichs auf die Wand zu. Dies ist jedoch nicht als problematisch zu bewerten, wenn der kürzere Schenkel nicht länger als 3 m ist.
Wie oben beschrieben, kann im Wohnungsbau bis Grundrisslängen von 12 m das „Vereinfachte Verfahren“ laut Merkblatt Nr. 5 angewandt werden.
Wenn es sich nach den genannten Verfahren ergibt, dass eine Bewegungsfuge sinnvoll ist, sollte diese so angeordnet werden, dass hierdurch zwei möglichst gedrungene Flächen entstehen. Beide Flächen sind dann daraufhin zu betrachten, ob diese nochmal durch eine Bewegungsfuge aufgeteilt werden sollten. Bei der Anordnung der Fugen sind auch die Lage der Heizkreise und der Oberbelag zu berücksichtigen. Es ist die Aufgabe des Planers, die verschiedenen Gewerke in die Fugenplanung einzubeziehen.
Bewegungsfugen auch in unbeheizten Fließestrichen?
Auch bei unbeheizten Fließestrichen kann der Einbau von Bewegungsfugen sinnvoll sein. Wenn der Estrich großflächig verlegt werden soll, aber z.B. aufgrund großer, nicht beschatteter Glasfronten durch Sonneneinstrahlung starken Temperaturschwankungen unterliegt, können die gleichen Thematiken wie beim Heizestrich vorliegen. Auch wenn große Estrichflächen (< 25 m Kantenlänge) ohne Belag über viele Monate ungenutzt bleiben, kann des Einschneiden von Scheinfugen eine unkontrollierte Rissbildung verhindern. Dies kann z.B. bei Bürogebäuden auftreten, wo Etagen erst sehr spät vermietet werden können.
VDPM/IGE Merkblatt Nr. 5 „Fugen in Calciumsulfat-Fließestrichen"