Egal ob zum ersten Mal oder wiederholt: Wer das Darmstadtium über den Haupteingang betritt, wird staunen und zunächst wie gebannt auf eine schräge, trichterförmige Raumskulptur aus Glas blicken - „die Calla“. Das nach innen gestülpte Glasdach des Foyers, das sich verengt, krümmt und schließlich wie ein senkrechter Halm das Dach des Gebäudes bis ins zweite Untergeschoss führt, verblüfft jeden Besucher. Architekt Talik Chalabi hat mit dieser „Blume“ etwas Unverwechselbares, Einmaliges geschaffen. Die Calla sammelt Regenwasser und leitet es in eine Zisterne. Dort wird es gespeichert und für die Kühlung des Gebäudes, die Außenbewässerung und die Toilettenspülung eingesetzt. Zudem „schaufelt“ sie Tageslicht bis in die zweite Tiefgaragenebene. Ein langgezogener Treppenlauf nach oben steht im Gegensatz zu der betonten Abwärtsbewegung der Calla. Galerien und frei durch den Raum gespannte Stege erzeugen eine spannungsreiche räumliche Rhythmik. Im Kontrast dazu stehen die Überreste der alten Stadtmauer sowie Relikte eines mittelalterlichen Kriech- und Hörtunnels mit Wehrturm. Diese wurden bei der Ausschachtung entdeckt, freigelegt und als 600 Quadratmeter große Ausstellung integriert. Die Orientierung innerhalb des Gebäudekomplexes fällt dem Besucher leicht, da die unterschiedlichen Funktionen klar gegliedert sind. In dem der Stadt zugewandten Teil des Wissenschafts- und Kongresszentrums – also nach Westen - sind die Büro- und Seminarräume sowie der kleine Saal zu finden, während der multifunktionale Kongresssaal, oder kurz der große Saal, nach Osten orientiert ist.
Multifunktionaler Kongresssaal
Als das Kernstück des Gebäudes bietet der Kongresssaal 1.200 Quadratmeter Fläche, bis zu 1.450 Sitzplätze und erreicht eine Deckenhöhe von zirka 14 Metern. Bei Bedarf lässt er sich in zwei oder drei Säle teilen. Hubpodien ermöglichen diverse Ausstattungsmöglichkeiten: für Kongresse oder Konzertveranstaltungen ein ansteigendes Auditorium, für Galadinner oder auch Messen ein ebenes Parkett. Die Fläche der Bühne ist ebenso variierbar wie die Bestuhlung. Der außergewöhnliche Innenraum beeindruckt funktional, ästhetisch wie akustisch. Blickfang ist die in unregelmäßige Geometrien aufgebrochene, golden schimmernde Decke in Trockenbautechnologie.
Deckensegel wie „Papierflieger“
Die ursprüngliche Entwurfsidee Chalabis, die Deckenebene in dreidimensional gefaltete, pyramidenartige Skulpturen aufzubrechen, scheiterte an den Kosten. Dennoch beeindruckt die realisierte vereinfachte Lösung, die Chalabi mit „Papierfliegern“ vergleicht, die zur Bühne fliegen. „Die Linien der Decke fließen in Richtung Bühne. Sie dienen als offene Fugen für die geforderte technische Ausstattung wie Seilabhängungen oder Kranbahn. Der perspektivisch erzeugte Raumeindruck wirkt vor allem, wenn das 12 Meter breite und 5 Meter hohe Hubtor hinter der Bühne geöffnet ist und der Kongresssaal räumlich mit dem Foyer verschmilzt“, erklärt der Architekt Talik Chalabi.
Egal ob Kongress, Konzert, Gala oder Stadtverordnetenversammlung - die optimierte Faltung und Ausrichtung der Schallsegel im Raum, aber auch die gezielte Auswahl der Plattenwerkstoffe garantieren bestmögliche Akustik für jede Art von Veranstaltung. Zudem lässt sich die Deckenebene in Teilbereichen individuell absenken, so dass selbst bei geteiltem Kongresssaal Raumproportion und Akustik steuerbar sind. „Akustik, Bühnen- und Beleuchtungstechnik, Statik und Montage – ohne integrative Zusammenarbeit wäre eine konstruktiv effiziente und damit wirtschaftliche Realisation der Decke im Kongresssaal kaum möglich gewesen“, ist sich ist sich Joachim Jansen von der gfb Gesellschaft für Baumanagement sicher. Er hat die Montagearbeiten im Kongresssaal bauaufsichtlich betreut.
Akustik - gefaltet in Schräglage
Die Akustik des Saals ist auf die vielfältige Nutzung ausgelegt. Die raumakustische Planung von Müller-BBM forderte unter anderem:
- Eine hohe Rohdichte für den Plattenwerkstoff der Segel. Empfohlen war eine doppelte Beplankung mit mindestens 20 mm Dicke aus GKB-Platten. Das erforderliche Flächengewicht sollte mindestens 15 kg/m² betragen.
- 30 Prozent der gesamten Deckenfläche mit gelochten Platten auszuführen und dabei
- 50 Prozent der gesamten Deckenfläche mit akustisch wirksamer Auflage auszustatten.
„Durch den Einsatz einer 15 mm dicken Knauf Diamant mit voller Kante, die ein Gewicht von 16,5 kg/m² aufweist, haben wir nicht nur den Materialeinsatz erheblich minimiert, sondern auch die Montage optimiert. Bei einer Deckenfläche von rund 1150 m² macht sich das bemerkbar“, erläutert Ranko Davidovic, Geschäftsführer des ausführenden Trockenbauunternehmens. Die Konstruktion der Decke basiert auf dem Knauf System D113 mit niveaugleicher Metallunterkonstruktion. Diese ist an einem drucksteif von den Fachwerkträgern der Dachkonstruktion abgehängten doppelten Rost aus UA-Profilen befestigt. Die räumliche Geometrie der Decke erwies sich dabei konstruktiv und montagetechnisch als aufwändig. Jedes Segel schwebt verdreht im Raum und weist unterschiedliche Abmessungen auf. „Bereits das exakte Einmessen der Decke war schwierig, da der Laser auf dem schwingenden Raumgerüst ständig ausgefallen ist“, erinnert sich Ranko Davidovic. Um die genaue Lage der Segel und damit die genauen Abmessungen der Kantenlängen der einzelnen Segmente ermitteln zu können, hat der Trockenbauer mit Schablonen eine praktikable Montagehilfe entwickelt. Sämtliche Platten wurden vor Ort mit gerader Kante geschnitten. Lediglich bei sehr spitz zulaufenden Segelsegmenten wurden Eckprofile eingesetzt. Die Beplankung mit Knauf Diamant bzw. Knauf 15 mm dicke Akustik Design Platten 8/18 sowie die Verteilung der akustischen Auflagen erfolgte in Abstimmung mit dem Akustiker Stefan Schierer von Müller-BBM. Glatte Oberflächen sind in Q3-Qualität ausgeführt. „Die Fertigung und die Montage der Deckenkonstruktion war eine Herausforderung“, erläutert Bauleiter Joachim Jansen und lobt die genaue praktische Umsetzung: „Die Idee von Ranko Davidovic war einfach gut, die schwierige Geometrie der Deckensegel im Raum mit Hilfe von Schablonen herzustellen, war einfach gut.“
Lösungen in Trockenbau
Anspruchsvoller Trockenbau ist im Wissenschafts- und Kongresszentrum in allen Bereichen zu finden. Die Raumakustik in den Foyers, die den großen Saal von Ebene 1 bis Ebene 4 umgeben, wird beispielsweise über Knauf Akustikdesign-Decken D127 geregelt. Die fugenlos verlegte Decke - exakt zwischen Unterzügen aus Sichtbeton eingepasst – ist als Rundlochung 8/18 mit Mineralfaserauflage in Folie ausgeführt. „Die Montage vor Ort, aber auch die Logistik an der Baustelle waren nicht einfach. Die Decken mussten zum größten Teil in einer Höhe von neun bis 12 Meter montiert werden. Außerdem konnten wir nur in 200 m² bis 300 m² großen Abschnitten arbeiten,“ erläutert Kai Schindler, Bauleiter von R&M Ausbau. Das auf der Baustelle benötigte Material musste daher punktgenau auf die Baustelle geliefert und über Schrägaufzüge in die Höhe befördert werden. Die Montagearbeiten wurden über Scherenbühnen bzw. Flächengerüste durchgeführt.
Mag die Geometrie des Gebäudes das gewohnte räumliche Empfinden manchen Besuchers irritieren, so zeugt sie doch von der handwerklichen Perfektion des Gebäudes. Der außergewöhnliche Entwurf von chalabiarchitects forderte den Trockenbau heraus: Frei zwischen Betonwänden gespannte schräge Schachtwände (Knauf System W630) mit einer Höhe von zirka 6,70 Meter und einer Feuerwiderstandsklasse bis zu F90, aber auch Brandwände (System W 131), hoch schalldämmende Wandkonstruktionen (System W145), Vorsatzschalen (System W629) und einfache Trennwandsysteme (System W112) sind realisiert. Trockenbau München hat allein rund 1.400 m² Wandsysteme und 300 m² Vorsatzschalen montiert. „Alle diese Wandkonstruktionen sind zusätzlich verkleidet. Im Seminarbereich haben wir beidseitig eine Verkleidung mit Bambus furnierten Gipsfaserplatten montiert, wobei die Verkleidung in den Seminarräumen akustisch wirksam ausgebildet ist“, erklärt Jürgen Koscielski von Trockenbau München. Im Auftrag des Unternehmens waren auch diverse Sonderbauteile wie Türelemente, F30-Verglasungen mit Verdunkelungsanlagen aber auch so genannte Paniknischentüren für Mobiltrennwände, die ebenfalls mit furnierten Gipsfaserplatten montiert wurden. „Eine besondere Herausforderung waren die überhohen Wände, die stellenweise nur von einer Seite aus montierbar waren. Hinzu kamen sehr hohe Anforderungen an Schallschutz. Stellenweise wurde das mit doppelten Vorsatzschalen gelöst“, erinnert sich Knut Anthes von Kauf, der Trockenbau München beraten hat.
Seminarbereich
In den 20 Konferenz- und Seminarräumen sorgen zudem akustisch wirksame Heiz- und Kühldecken für angenehme Temperierung sowie für ausgewogene Raumakustik. Durch die frühzeitige enge Zusammenarbeit zwischen dem Partnerbüro Funk und Schröder Architekten, der Bauüberwachung durch gfb Gesellschaft für Baumanagement mbH, dem ausführenden Unternehmen Kantwerg, dem Klimatechniker und Karl-Heinz Schnitzer von Knauf konnte eine wirtschaftliche und zugleich ästhetische Decke realisiert werden. Die mit Knauf Thermo-Akustikplatten vorkonfektionierten Deckenelemente sind auf Maß in unterschiedlichen Abmessungen gefertigt und mit schwarzem Faservlies hinterlegt. Die Gliederung der Decke wird von zwei Parametern bestimmt:
1. Technikkanäle, in denen die gebäudetechnische Ausstattung wie Beleuchtung, Zu- und Abluftöffnungen der Klimatechnik oder Rauchmelder integriert ist.
2. Sichtbetonunterzüge
Für eine möglichst uneingeschränkte Revisionierbarkeit in der Deckenebene sorgen insgesamt annähernd 200 Knauf Alutop-Revisionsklappen. Dabei kamen diverse Sonderabmessungen zum Einsatz. „Die frühe Zusammenarbeit mit dem Systemhersteller Knauf war eindeutig von Vorteil – vor allem für den Bauherrn, der an einer qualitativ hochwertigen, aber zugleich wirtschaftlichen Realisation des geplanten Raumklimakonzepts interessiert war. Beim Einbau der Elemente gab es keine Probleme, und auch logistisch hat alles geklappt“, so das Resümee von Rudolf Knörzer von Kantwerg Trockenbau und Brandschutz.